„Der Schlüssel liegt im Aufbau positiver Beziehungen zwischen Schule und Elternhaus“
In Ahlen gibt es inzwischen vier Familiengrundschulzentren. Lisa Kalendruschat, die Koordinatorin Präventionskette, wünscht sich für ihre Kommune, dass Familiengrundschulzentren zum festen Bestandteil der Stadtgesellschaft werden und nicht mehr wegzudenken sind. Gerade die Pandemie habe gezeigt, dass Familiengrundschulzentren eine zentrale Ressource für Schule und Familien sind.
In Deutschland hängt der Bildungserfolg von Kindern und Jugendlichen immer noch stark von der sozialen Herkunft ab. Welche Rolle können in diesem Kontext Familiengrundschulzentren einnehmen?
Lisa Kalendruschat: In unserem Ahlener Erziehungskonsens ist mit Blick auf die Elternarbeit die Aussage formuliert worden, dass Eltern die „Experten“ der Lebenswelt ihrer Kinder sind. Eltern kennen die Umgebung ihrer Kinder und gestalten das Familienleben nach ihren Möglichkeiten, Wünschen und Bedürfnissen. Hierfür muss auch die Schule auf die wertvolle Ressource der Eltern zurückgreifen und es müssen positive Bedingungen geschaffen werden, dass die Eltern ihr Expertenwissen auch einbringen.
Der Schlüssel liegt hierbei im Aufbau positiver Beziehungen zwischen der Schule und dem Elternhaus. Hierzu spielen die Familiengrundschulzentren eine einzigartige Rolle. Familiengrundschulzentren stellen eine Brücke zur Elternschaft dar, indem sie niedrigschwellig im Sozialraum der Eltern verortet sind. Familien erfahren das Gefühl, dass sie in der Schule willkommen sind, ihre Expertise gefragt ist und knüpfen positive Gefühle zur Schule. Familiengrundschulzentren sind Orte der Begegnung, Beratung und Bildung. Familien lernen andere Familien kennen, tauschen sich in einer angenehmen Atmosphäre aus und nehmen an der Arbeit der Schule mit ihrem Kind aktiv teil. Ist eine vertrauensvolle Beziehung seitens der Familien zum Familiengrundschulzentrum aufgebaut, nehmen sie unter anderem Beratungsleistungen in Anspruch. Hierdurch können sie für sich passgenaue und hilfreiche Unterstützung für ihre individuelle Situation erfahren. Familien tut es gut, Hilfe und Unterstützung bei der Erziehung ihrer Kinder zu erhalten. Die Familiengrundschulzentren schaffen Anreize, sich mit bestimmten Themen auseinanderzusetzen, gemeinsam mit den Kindern zu lernen und neue Dinge zu entdecken. Kinder fühlen sich wohl, wenn sie sehen, dass ihre Eltern ihre Fortschritte wahrnehmen und Interesse daran zeigen. Sie brauchen die Wertschätzung ihrer Familien. Die Familiengrundschulzentren richten einen Blick auf die unterschiedlichen Startbedingungen von Kindern und setzen an dieser Stelle an.
„Kinder fühlen sich wohl, wenn sie sehen, dass ihre Eltern ihre Fortschritte wahrnehmen und Interesse daran zeigen.“
Welche Entwicklungen mit Blick auf die Einbindung von Familien mit Kindern im Grundschulalter können Sie in Ahlen beobachten?
Lisa Kalendruschat: Die Rückmeldung zeigt uns, dass an Schulen, an denen ein Familiengrundschulzentrum installiert wurde, die Brücke zur Elternschaft geschlagen werden kann und dass sich die Zusammenarbeit mit den Eltern deutlich verbessert hat. Familien benötigen Zeit, ein wohlfühlendes Setting, vertrauensvolle Fachkräfte in den Familiengrundschulzentren, um Vertrauen aufzubauen.
Die Anzahl der in Anspruch genommenen Beratungsleistungen zeigt, dass diese kontinuierlich ansteigen. Insbesondere im Familiengrundschulzentrum an der Mammutschule, das 2017 gestartet ist, ist zu sehen, dass auch die Teilnahme an den Angeboten in den letzten Jahren gestiegen ist. Eltern nehmen an Angeboten wie beispielsweise Elterncafés, Bastelangeboten und Ausflügen gemeinsam mit ihren Kindern teil. Einige Familien haben sogar Lust, selbst ein Angebot zu planen und durchzuführen. Familien suchen aktiv den Kontakt zur Koordinationsfachkraft und sprechen ihre individuellen Themen an.
Die Koordinatorinnen und Koordinatoren unterstützen, beraten, hören zu, schenken Wertschätzung und nehmen die individuellen Lebenslagen, Sorgen, Wünsche, Ängste der Familien wahr. Sie helfen, sprachliche Barrieren abzubauen und sind unter anderem auch als Lotsinnen und Lotsen tätig, damit Familien die richtigen Hilfen und Angebote für sich finden und begleiten den Übergang.
Welche Rolle haben die Familiengrundschulzentren in Ahlen in der Pandemie und vor allem während der Zeit der Schulschließungen eingenommen?
Lisa Kalendruschat: Auch in Corona-Zeiten sind die Familiengrundschulzentren eine wichtige Ressource für die Schule und die Familien, um die herausfordernden Zeiten bewältigen zu können. Erziehungsberechtigte haben vermehrt Beratungen in Anspruch genommen, um sich Hilfe und Unterstützung einholen zu können. Sie suchten Rat zu unterschiedlichen Themen, wie zum Beispiel zur Freizeitgestaltung während des Lockdowns, zur Streit- und Konfliktlösungsmöglichkeiten in der Familie, zum Medienverhalten der Kinder etc. Die Koordinatorinnen und Koordinatoren unterstützten die Eltern bei der Einrichtung von IServ (Internetplattform), halfen bei der Verteilung der Lernunterlagen mit, führten „Haustürgespräche“ durch, bereiteten Pakete zur Freizeitgestaltung für die Familien vor und verteilten diese. So konnten Familien auch in Zeiten der Distanz bestmögliche Unterstützung finden und die Brücke zu den Eltern konnte aufrechterhalten werden.
Mit Blick auf ihre Familiengrundschulzentren Ahlen: Was wäre ihr größter Wunsch in Zukunft?
Lisa Kalendruschat: Ich würde mich sehr freuen, wenn das Angebot der Familiengrundschulzentren ausgebaut wird und an weiteren Ahlener Grundschulen angeboten werden könnte. Es ist mein Wunsch, dass die Familiengrundschulzentren selbstverständlicher Teil des Netzwerkes an Ahlener Grundschulen und in der Stadtgesellschaft werden und nicht mehr wegzudenken sind.
WEITERE INFORMATIONEN
Interview: Marisa Klasen und Daniela Zentner, Wübben Stiftung Bildung
Foto: ©
Kommune: Ahlen
Website: Ahlener Präventionskette